Ein Überblick über Herausforderungen und Zahlen
In Deutschland hat das Thema Abschiebungen in den letzten Jahren immer wieder für hitzige Diskussionen gesorgt. Ein aktuelles Ereignis, der mutmaßliche Anschlag von Issa al-H. in Solingen, bei dem drei Menschen getötet und acht weitere verletzt wurden, rückt diese Problematik erneut in den Fokus. Der Syrer hätte bereits 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, was jedoch scheiterte. Dieser Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten und Herausforderungen, die mit Abschiebungen in Deutschland verbunden sind.
Ausreisepflichtige in Deutschland: Eine wachsende Zahl
Laut den jüngsten Angaben der Bundesregierung gelten in Deutschland mehr als 233.000 Menschen als ausreisepflichtig. Diese Zahl umfasst Personen, die aus verschiedenen Gründen das Land verlassen müssen, aber noch nicht abgeschoben wurden. Bemerkenswert ist, dass ein Großteil dieser Menschen, nämlich knapp 187.000, eine Duldung besitzt. Dieser Status bedeutet, dass ihre Abschiebung vorübergehend ausgesetzt ist, was verschiedene Ursachen haben kann.
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Zu den häufigsten Gründen für eine Duldung zählen fehlende Reisedokumente. Diese Problematik liegt oft nicht bei den Betroffenen selbst, sondern bei den Heimatländern, die sich weigern, entsprechende Papiere auszustellen. Weitere Gründe können familiäre Umstände, wie der Schutz von Ehepartnern oder minderjährigen Kindern, sowie schwerwiegende gesundheitliche Probleme sein. Auch wer in Deutschland arbeitet oder eine Ausbildung absolviert, kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Duldung erhalten. Humanitäre Gründe, etwa die derzeitigen Zustände in Ländern wie Russland oder Afghanistan, können ebenfalls eine Abschiebung verhindern.
Durchführung von Abschiebungen: Ein Blick auf die Zahlen
Trotz der hohen Zahl an ausreisepflichtigen Personen wurden im Jahr 2023 etwas mehr als 16.000 Menschen tatsächlich abgeschoben. Dies stellt eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren dar. Im ersten Quartal 2024 setzte sich dieser Trend fort, mit knapp 4.800 Abschiebungen. Interessant ist, dass ein Drittel dieser Abschiebungen im Rahmen des Dublin-Abkommens innerhalb der EU stattfand. Dieses Abkommen sieht vor, dass Asylbewerber in dem EU-Land Asyl beantragen müssen, in dem sie zuerst registriert wurden. So hätte auch der Täter von Solingen, Issa al-H., in Bulgarien bleiben müssen, da er dort in die EU eingereist war.
Die meisten Abschiebungen erfolgten in den Jahren 2023 und 2024 nach Georgien, Österreich und Nordmazedonien. Besonders häufig betrafen die Maßnahmen Staatsangehörige aus Georgien, der Türkei, Nordmazedonien, Albanien und Afghanistan.
Ein weiterer Aspekt, der die Zahl der ausreisepflichtigen Personen in Deutschland beeinflusst, ist das Chancenaufenthaltsrecht, das die Ampel-Koalition eingeführt hat. Dieses Gesetz bietet langzeitgeduldeten Personen, die bestimmten Kriterien entsprechen, die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe für 18 Monate zu erhalten. Dies hat dazu beigetragen, dass die Zahl der ausreisepflichtigen Personen erstmals seit zehn Jahren gesunken ist.
Warum scheitern so viele Abschiebungen?
Obwohl die Zahl der Abschiebungen in den letzten Jahren gestiegen ist, scheitern dennoch weitaus mehr Abschiebungsversuche, als erfolgreich durchgeführt werden. Im Jahr 2023 scheiterten mehr als 31.000 Abschiebungen, im ersten Quartal 2024 waren es bereits über 7.000. Die Gründe hierfür sind vielfältig und komplex. Oft scheitern Abschiebungen bereits, bevor die betroffene Person überhaupt der Bundespolizei übergeben wird, die in der Regel für die Durchführung verantwortlich ist.
Die Bundesregierung führt als Hauptgründe für das Scheitern von Abschiebungen „Stornierung des Ersuchens“ und „nicht erfolgte Zuführung“ an. Hinter diesen Begriffen verbergen sich unterschiedliche Ursachen. Beispielsweise kann es sein, dass die betroffene Person erfolgreich gegen die Abschiebung geklagt hat oder dass die Ausländerbehörde die Abschiebung aufgrund fehlender Papiere verschieben musste. Laut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik könnte auch Personalmangel eine Rolle spielen.
Ein weiteres Problem ist, dass ausreisepflichtige Personen oft nicht auffindbar sind, wie im Fall von Issa al-H. Die deutschen Behörden hatten Bulgarien um seine Überstellung gebeten, da dieses Land nach der Dublin-Regelung für ihn zuständig war. Deutschland hat in solchen Fällen sechs Monate Zeit, um die Abschiebung durchzuführen. Ist die Person nicht auffindbar, kann diese Frist auf 18 Monate verlängert werden. Im Fall von al-H. wurde diese Frist jedoch versäumt, sodass Deutschland ab Sommer 2023 offiziell für ihn zuständig war.
Islamistischer Terror in Deutschland: Eine Chronik der Anschläge
Die Problematik der gescheiterten Abschiebungen gewinnt an Brisanz, wenn man die Chronik islamistischer Anschläge in Deutschland betrachtet. Seit den frühen 2000er Jahren gab es eine Reihe von Anschlägen und vereitelten Anschlagsplänen, die das Land erschütterten. Der „Kofferbomber von Köln“ im Jahr 2006, die Sauerland-Gruppe, die Anschläge in Würzburg und Ansbach im Jahr 2016 sowie der verheerende Angriff auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 sind nur einige Beispiele. Diese Anschläge zeigen, dass islamistischer Terror eine reale Bedrohung in Deutschland darstellt.
Besonders beunruhigend ist, dass viele der Täter entweder in Deutschland aufgewachsen sind oder als Flüchtlinge ins Land kamen. Dies wirft Fragen zur Integrationspolitik und zur Prävention von Radikalisierung auf. Auch in Zukunft bleibt es eine Herausforderung für die Sicherheitsbehörden, solche Anschläge zu verhindern und die Bevölkerung zu schützen.
Die Debatte um Abschiebungen in Deutschland ist komplex und vielschichtig. Während die Zahl der Abschiebungen in den letzten Jahren gestiegen ist, bleibt die Herausforderung groß, da viele Versuche scheitern. Hinzu kommt die anhaltende Bedrohung durch islamistischen Terror, der in einigen Fällen auch auf gescheiterte Abschiebungen zurückzuführen ist. Die deutschen Behörden stehen vor der schwierigen Aufgabe, die Sicherheit im Land zu gewährleisten und gleichzeitig humanitäre und rechtliche Standards einzuhalten. Der Fall von Issa al-H. und der Anschlag von Solingen zeigen, wie wichtig es ist, diese Herausforderungen ernst zu nehmen und angemessene Lösungen zu finden.