Im Herzen Europas zeichnet sich eine heftige politische Polarisierung ab, die scharfe Linien zwischen gegensätzlichen Ideologien zieht und die politische Landschaft des Kontinents umgestaltet. Diese Spaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass beide Seiten zunehmend dazu neigen, ihre Gegner als „Extremisten“ abzustempeln. Dies spiegelt eine Verrohung des öffentlichen Diskurses und eine zunehmende Verachtung der etablierten politischen Parteien wider.
Kürzlich erlitt Frankreichs rechtsextreme Nationale Rallye unter der Führung von Jordan Bardella bei den Wahlen eine überraschende Niederlage und wurde Dritter. Bardella führte dieses unerwartete Ergebnis auf das zurück, was er als „Desinformation“ bezeichnete, die seine Partei als extremistisch darstellte und linke Formationen begünstigte. Diese Stimmung ist bezeichnend für einen breiteren Trend in ganz Europa, wo sich die politische Polarisierung verschärft und gegenseitige Beschuldigungen des Extremismus die Berichterstattung dominieren.
Im Gegensatz zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts sind die heutigen politischen Konflikte in Europa in erster Linie verbaler Natur, auch wenn die Bedrohung durch die Gewalt der Vergangenheit noch immer präsent ist. Das Attentat auf den slowakischen Premierminister im Mai erinnert stark an die Gespenster früherer Epochen. Obwohl es keine gewalttätigen Straßenschlachten wie vor und nach dem Zweiten Weltkrieg gibt, ist die aktuelle Situation durch eine wachsende und zunehmend giftige politische Kluft gekennzeichnet.
Die wirtschafts- und außenpolitischen Ansichten des gesamten politischen Spektrums weisen ein überraschendes Maß an Gemeinsamkeiten auf, darunter ein gemeinsames Misstrauen gegenüber der NATO und eine wohlwollende Haltung gegenüber Russland. Beide Seiten zeigen eine starke Verachtung für die Eliten des Establishments, die sie als selbstsüchtige Herren einer politischen Mitte wahrnehmen, die sich nicht um die Bedürfnisse des Durchschnittsbürgers kümmert. Das Kernthema, das die Spaltung vorantreibt, ist jedoch der Nationalismus – ob er eine Lösung für globale Herausforderungen wie Einwanderung und wirtschaftliche Verwerfungen bietet oder eine Bedrohung für Freiheit und Demokratie darstellt.
Die Polarisierung geht über rein ideologische Unterschiede hinaus. Die Aushöhlung der politischen Mitte und die Untergrabung zuvor akzeptierter Normen stellen die demokratischen Prinzipien in ganz Europa auf die Probe. Dieses Umfeld hat zu einem Rückgang des Vertrauens in die demokratischen Systeme geführt, wie jüngste Umfragen zeigen, die auf eine wachsende Frustration über die Funktionsweise dieser Systeme hinweisen.
Die nationalistischen Parteien, die in den letzten zehn Jahren an Popularität gewonnen haben, waren bei den letzten Wahlen unterschiedlich erfolgreich. So verlor beispielsweise Polens konservative Partei Recht und Gerechtigkeit im Oktober die Macht, während die rechtsgerichtete Partei von Geert Wilders in den Niederlanden die meisten Stimmen bei einer Parlamentswahl erhielt. In Deutschland hat die Partei Alternative für Deutschland bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ein Rekordergebnis erzielt und die Parteien der Regierungskoalition von Bundeskanzler Olaf Scholz überholt.
Eines der anschaulichsten Beispiele für die politische Polarisierung in Europa ist die Slowakei, wo Premierminister Robert Fico, der sich von der Linken abgewandt hat und nationalistische Botschaften vertritt, nur knapp ein Attentat überlebt hat. Fico bezeichnete den Angreifer als „Boten des Bösen und des politischen Hasses“ seiner linken Gegner und unterstrich damit die tiefsitzende Feindseligkeit, die das derzeitige politische Klima kennzeichnet.
Mainstream-Politiker in ganz Europa äußerten sich erleichtert über das französische Wahlergebnis. Sie befürchteten, dass ein Sieg der Nationalen Sammlungsbewegung die Forderungen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban nach einem Ende der Militärhilfe für die Ukraine unterstützt haben könnte. Polens Premierminister Donald Tusk stellte fest, dass das Ergebnis in Paris mit Begeisterung, in Moskau mit Enttäuschung und in Kiew mit Erleichterung aufgenommen wurde, was die breiteren geopolitischen Auswirkungen der internen politischen Kämpfe in Europa unterstreicht.
Die nationalistischen Parteien haben versucht, sich von ihrer dunkleren Vergangenheit zu distanzieren. Italiens Regierungspartei, angeführt von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, hat ihre Wurzeln in den Überresten des Mussolini-Faschismus der Nachkriegszeit, während Marine Le Pens Nationale Rallye in Frankreich sich von ihren früheren Assoziationen mit Holocaust-Leugnung und reaktionären Kolonialveteranen entfernt hat. Diese Parteien bemühen sich nun, sich als modern und pragmatisch zu präsentieren, obwohl Fälle von offen rassistischen und fremdenfeindlichen Äußerungen einzelner Anhänger ihr neues Image weiterhin in Frage stellen.
Trotz der relativen wirtschaftlichen Stabilität Europas im Vergleich zur Hyperinflation und Massenarbeitslosigkeit in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg ist das Vertrauen in die Demokratie nach wie vor fragil. Viele Wähler wünschen sich einen Wandel und entscheiden sich oft für Parteien, die versprechen, das Establishment zu verändern. Dieser Trend zeigt sich bei den jüngsten Wahlen in Großbritannien, wo die Labour-Partei einen deutlichen Sieg gegen eine gespaltene Konservative Partei errang, während die Reformpartei von Nigel Farage ebenfalls starke Wahlerfolge erzielte.
Der Aufstieg der extremen Rechten in Europa ist zwar noch nicht dominant, aber er gewinnt mit jeder Wahl an Dynamik. Da sich die politischen Debatten mehr auf das Spektakel als auf substanzielle politische Diskussionen konzentrieren, erodiert die Glaubwürdigkeit des politischen Systems weiter, insbesondere bei der jüngeren Generation. Dieses Umfeld unterstreicht die dringende Notwendigkeit einer erneuten Konzentration auf demokratische Werte und konstruktives politisches Engagement, um die wachsende Kluft zu überbrücken und die Zukunft der politischen Landschaft Europas zu sichern.