Die politische Landschaft Österreichs steht an der Schwelle zu einem historischen Wandel, da die rechtsextreme Freiheitliche Partei bei den bevorstehenden Nationalratswahlen möglicherweise zum ersten Mal gewinnt. Die Sorgen der Wähler reichen von der Einwanderung über die Inflation bis hin zum anhaltenden Krieg in der Ukraine. Die Freiheitliche Partei hat stark an Popularität gewonnen und die Aufmerksamkeit von Bürgern und Kritikern gleichermaßen auf sich gezogen.
Steigende Unterstützung und ein enges Rennen
Jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass die Freiheitliche Partei 27% der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte. Damit liegt sie in einem engen Rennen gegen die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) von Bundeskanzler Karl Nehammer, die 25% der Stimmen erhält, und die Mitte-Links-Sozialdemokraten mit 21%. Ein Sieg der Freiheitlichen Partei könnte einen bedeutenden Moment in der politischen Geschichte Österreichs markieren. Herbert Kickl, der Vorsitzende der Partei, steht jedoch vor der Herausforderung, einen Koalitionspartner zu finden, um eine Mehrheit im Unterhaus zu erreichen.
Herbert Kickl: Ein umstrittener Anführer
Herbert Kickl, seit 2021 Vorsitzender der Freiheitlichen Partei, bewirbt sich als neuer Bundeskanzler Österreichs und bezeichnet sich selbst als „Volkskanzler“ – ein Begriff, der kontroverserweise mit der Rhetorik der Nazi-Zeit in Verbindung gebracht wird. Trotz der Parallelen hat Kickl solche Vergleiche entschieden zurückgewiesen. Laut Gernot Bauer, einem Journalisten des österreichischen Magazins *Profil*, „ist die Freiheitliche Partei unter Kickls Führung noch weiter nach rechts gerückt“. Bauer stellt außerdem fest, dass Kickls Stil „aggressiv“ und bewusst provokativ ist.
Hauptthemen: Einwanderung, Inflation und Sicherheitsprobleme
Die Freiheitliche Partei hat sich die Unzufriedenheit der Wähler mit den wirtschaftlichen Herausforderungen zunutze gemacht. Dazu gehört auch die hohe Inflation, die im vergangenen Jahr im Durchschnitt 4,2% betrug und damit den EU-Durchschnitt übertraf. Die Rhetorik der Partei hat bei vielen Österreichern Anklang gefunden, die das Gefühl haben, dass die derzeitige Regierung nicht angemessen auf ihre Sorgen eingegangen ist. Margot Sterner, eine 54-jährige Teilnehmerin einer kürzlich stattgefundenen Wahlkampfveranstaltung, sagte: „Man fühlt sich in seinem eigenen Land nicht mehr sicher. Aber dann wird man als rechts gebrandmarkt, nur weil man an die Sicherheit seiner Leute, der Kinder und Frauen, denkt.“
Das Wahlprogramm der Partei betont strengere Einwanderungskontrollen und schlägt eine „Rückwanderung von ungebetenen Ausländern“ vor, um eine „homogenere“ Gesellschaft zu schaffen. Außerdem befürwortet die Freiheitspartei ein Ende der Sanktionen gegen Russland und kritisiert die westliche Unterstützung für die Ukraine.
Herausforderungen für die Volkspartei und Nehammer
Die Österreichische Volkspartei, die derzeit eine Koalition mit den Grünen anführt, hat seit der Wahl 2019 einen Popularitätsverlust erlitten. Obwohl Bundeskanzler Nehammer versucht hat, seine Partei als „die starke Mitte“ zu positionieren, die in der Lage ist, Krisen zu bewältigen, haben die jüngsten Ereignisse wie die COVID-19-Pandemie und der Einmarsch Russlands in der Ukraine seine Führung belastet.
Nehammers Kampagne wird auch für das umstrittene Impfmandat der Regierung im Jahr 2022 kritisiert, das eingeführt und dann ohne Umsetzung wieder gestrichen wurde. Der politische Analyst Peter Filzmaier erklärte, dass diese Krisen und wirtschaftlichen Herausforderungen „die Konservativen Unterstützung gekostet haben“.
Mögliche Koalitionsszenarien
Jede Partei wird wahrscheinlich eine Koalition brauchen, um eine Regierung zu bilden. Nehammer hat deutlich gemacht, dass er sich zwar nicht an einer von Kickl geführten Regierung beteiligen würde, aber eine Koalition mit der Freiheitlichen Partei nicht völlig ausschließt. Filzmaier glaubt, dass die Chancen, dass Kickl eine solche Koalition akzeptiert, ohne eine bedeutende Position zu haben, gering sind. Sollte die Volkspartei jedoch bei den Wahlen den ersten Platz belegen, könnte ein Bündnis zwischen den beiden Parteien ins Auge gefasst werden.
Alternativ könnte auch eine Koalition zwischen der Volkspartei, den Sozialdemokraten und den liberalen Neos einen weiteren Weg zur Regierungsbildung bieten. Andreas Babler, der Vorsitzende der Sozialdemokraten, hat sich gegen die Rechtsextremen positioniert. Er bezeichnete Kickl als „Bedrohung für die Demokratie“ und schloss eine Partnerschaft mit der Freiheitspartei aus.
Ein entscheidender Moment für Österreich
Die bevorstehenden Wahlen in Österreich stellen einen kritischen Punkt für das Land dar, der erhebliche Auswirkungen auf seine zukünftige Ausrichtung hat. Die Wählerinnen und Wähler stehen vor einer Entscheidung, die die politische Landschaft Österreichs und seine Haltung zu Einwanderung, Wirtschaftspolitik und internationalen Beziehungen neu definieren könnte. Ob die Freiheitliche Partei einen historischen Sieg erringen kann oder ob die derzeitige Regierung an der Macht bleiben kann, bleibt abzuwarten. Dennoch wird das Ergebnis zweifelsohne die Zukunft Österreichs prägen.