Ein Konzern am Scheideweg
Boeing steckt tief in der Krise. Der amerikanische Flugzeugbauer meldet für das dritte Quartal 2024 einen massiven Verlust von 6,2 Milliarden US-Dollar. Grund hierfür sind unter anderem anhaltende Streiks und Produktionsprobleme. Dies ist der zweitgrößte Verlust seit 2018, als nach den Abstürzen der Boeing 737 MAX mit 346 Toten ein Minus von 8,5 Milliarden Dollar aufgelaufen war. Der Umsatz sank im Vergleich zum Vorjahr um ein Prozent auf 17,8 Milliarden Dollar.
Streiks und Produktionsprobleme
Seit Mitte September legen rund 30.000 Beschäftigte der Boeing-Werke die Arbeit nieder. Sie fordern höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Boeing hat ein Angebot gemacht: 35 Prozent mehr Gehalt über vier Jahre und einen Bonus von 7.000 Dollar. Die Gewerkschaft und die Mitglieder haben die bisherigen Angebote jedoch abgelehnt. Der Streik kostet Boeing bislang mehr als eine Milliarde Dollar und beeinträchtigt die Produktion der Boeing 737 MAX, einem wichtigen Modell für den Konzern.
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Zusätzlich zu den Streiks kämpft Boeing mit technischen Problemen. Im Januar 2024 löste sich während eines Flugs in einer Boeing 737 MAX ein Teil der Kabinenwand. Auch bei der Boeing 777X gibt es massive Verzögerungen. Airlines weltweit, darunter die Lufthansa, warten dringend auf neue und effizientere Maschinen.
Verteidigungsgeschäft belastet die Bilanz
Neben den zivilen Flugzeugen hat auch das Verteidigungsgeschäft von Boeing Schwierigkeiten. Vor allem das Projekt eines Militär-Tankflugzeugs verursachte unerwartet hohe Kosten. Diese Probleme belasten die Bilanz zusätzlich und verstärken den Druck auf das Management.
Kelly Ortberg will Boeing stabilisieren
Kelly Ortberg, der neue CEO von Boeing, steht vor großen Herausforderungen. „Wir stehen am Scheideweg“, sagte Ortberg bei der Präsentation der Quartalszahlen. „Dies ist ein großes Schiff, das einige Zeit braucht, um zu wenden – aber wenn es das tut, hat es das Potenzial, wieder großartig zu sein.“ Um dies zu erreichen, plant Ortberg einen umfassenden Sanierungsplan, der einen „grundlegenden Kulturwandel“ bei Boeing einleiten soll. Es gehe darum, die Zusammenarbeit zu verbessern, das Portfolio zu straffen und die Entwicklung der Flugzeuge zu optimieren.
Einen weiteren Personalabbau schließt er dabei nicht aus. Bereits vor gut einer Woche hatte Boeing den Abbau von 17.000 Stellen angekündigt, was etwa zehn Prozent der Gesamtbelegschaft ausmacht. Der Konzern müsse die „Personalsituation an die finanziellen Realitäten anpassen“, so Ortberg.
Ausblick: Zukunft von Boeing ungewiss
Die nächsten Monate werden für Boeing entscheidend sein. Trotz der tiefen Krise sieht Ortberg Potenzial für einen Turnaround. Insidern zufolge könnte eine Kapitalerhöhung von bis zu 15 Milliarden Dollar nötig sein, um die finanzielle Stabilität des Unternehmens zu sichern. Auf diese Möglichkeit ging Ortberg jedoch nicht konkret ein.
Die Lage bleibt angespannt: Die Produktionsprobleme müssen gelöst, die Streiks beendet und das Vertrauen der Kunden wiedergewonnen werden. Ob Boeing in den kommenden Jahren die Kurve bekommt, bleibt abzuwarten. Der neue Chef ist jedoch zuversichtlich: „Es braucht Zeit, aber Boeing kann wieder großartig werden.“