Fünfzig Jahre nach dem arabischen Ölembargo von 1973 kam es aufgrund der Krise im Nahen Osten erneut zu Erschütterungen auf dem globalen Ölmarkt. Experten sind jedoch der Ansicht, dass sich die Szenen langer Schlangen an den Zapfsäulen und dramatischer Preiserhöhungen wie in den vergangenen Jahren nicht wiederholen werden.
Der Konflikt zwischen Israel und Hamas wirft seine Schatten auf die Ölmärkte, die bereits mit Produktionskürzungen wichtiger Produzenten wie Saudi-Arabien und Russland zu kämpfen haben. Dies und der erwartete Nachfrageschub aus China geben Anlass zu großer Sorge. Fatih Birol, der Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur mit Sitz in Paris, erklärte, diese Situation sei „definitiv keine gute Nachricht“ für die Märkte. Birol zufolge werden die Entwicklungsländer, die bedeutende Importeure von Öl und anderen Brennstoffen sind, am meisten unter einem Anstieg der Ölpreise leiden.
Obwohl der Gazastreifen kein bedeutendes Zentrum der Erdölproduktion ist, bedroht der Krieg die Stabilität der weltweiten Ölversorgung. Die Besorgnis über mögliche Komplikationen mit dem Iran, der über einige der größten Ölreserven der Welt verfügt, wächst. Ein möglicher Militärschlag Israels gegen die iranische Ölinfrastruktur könnte zu einem erheblichen Anstieg der weltweiten Ölpreise führen. Die Straße von Hormuz, die südlich des Iran liegt, ist eine kritische Passage für viele der weltweiten Öllieferungen, und jede Unterbrechung könnte schwerwiegende Folgen haben.
Dennoch ist der starke Kontrast zwischen der Gegenwart und den 1970er Jahren bemerkenswert. Die US-Ölproduktion hat einen historischen Höchststand erreicht: Die U.S. Energy Information Administration verzeichnete im Oktober eine Rekordproduktion von 13,2 Millionen Barrel pro Tag. Mike Sommers, Präsident und CEO des American Petroleum Institute, betonte die Bedeutung dieser erhöhten Produktionskapazität und forderte die politischen Entscheidungsträger in den USA auf, sich an die Schwachstellen zu erinnern, die während des Ölembargos von 1973 bestanden.
Unvorhergesehene Ereignisse auf dem Energiemarkt, wie die iranischen Öllieferungen, die Reaktion Saudi-Arabiens auf mögliche Beschränkungen für iranisches Öl und die Ungewissheit über die Öllieferungen aus Venezuela verkomplizieren das Szenario zusätzlich. Das politische Gerangel geht weiter: Der Senator von Wyoming, John Barrasso, kritisiert die Energiepolitik von Präsident Joe Biden, während sich das Finanzministerium weiterhin für die Bekämpfung destabilisierender Aktivitäten in der Region einsetzt.
Die derzeitige Krise im Nahen Osten weckt zwar Erinnerungen an frühere Ölkrisen, doch die strukturellen Veränderungen in der weltweiten Ölproduktion und -politik der letzten Jahrzehnte lassen ein anderes Ergebnis erwarten. Auch wenn die Ungewissheit bestehen bleibt, können eine proaktive Politik und internationale Zusammenarbeit die potenziellen Auswirkungen auf die globalen Ölmärkte abmildern.