Stellen Sie sich vor, Sie schnüren Ihre Schuhe für einen Lauf und helfen dabei ungewollt der Natur, sich zu verjüngen. Das ist das Grundprinzip von „Rewild the Run“ – einer innovativen 3D-gedruckten Laufsohle, die über typische Turnschuhe passt. Die Laufsohle ist mit hakenähnlichen Miniaturschlaufen ausgestattet, die sich an Erde und Samen festhalten und diese beim Joggen verteilen können.
Diese Schleifen sind von der Natur inspiriert und ahmen nach, wie bestimmte Samen am Fell von Tieren haften. Außerdem ist die Basis der Laufsohle dem Huf eines Bisons nachempfunden. Diese Schlüsselart, die für ihren bedeutenden ökologischen Einfluss bekannt ist, trägt zur Belüftung des Bodens bei und bettet mit ihrer ausgeprägten Hufstruktur Samen ein.
Durch die Verbreitung von Samen könnten diese Laufsohlen potenziell zu den Bemühungen um eine Wiederbewaldung beitragen, einer ökologischen Methode, die die Selbstregeneration der Natur mit minimalem menschlichen Einsatz fördert.
Kiki Grammatopoulos, das Genie hinter dieser Erfindung und Masterstudentin am Central Saint Martins, verrät: „Als ich in London lebte, fühlte ich mich weit weg von der Natur. Ich begann darüber nachzudenken, wie man die wichtigsten Arten in einer städtischen Umgebung simulieren könnte.
Die Natur als Blaupause
Grammatopoulos lehnte sich an die Biomimikry an, einen Designansatz, der die Methoden der Natur nachahmt. Sie untersuchte die Struktur von Kletten und Samen der Teufelskralle, um die Schlaufen auf der Laufsohle zu gestalten. Interessanterweise inspirierte der Samen der Klettenwurzel einst die Erfindung des Klettverschlusses, da er von George de Mestral beobachtet wurde, als er sich an seinem Hund festhielt.
Für die ersten Tests verwendete Grammatopoulos Klettverschlüsse. Sie erklärt: „Bevor ich mich in 3D-Designs vertiefte, testete ich den Klettverschluss an meinen Schuhen, um zu sehen, wie viel Schmutz er aufnimmt.“
Diese Laufsohlen können kleine und große Samen ansammeln und verbreiten und stellen somit eine wirksamere Lösung dar als herkömmliche Laufschuhe. Dennoch stellt Grammatopoulos klar: „Es handelt sich immer noch um ein Konzept, nicht um ein Produkt für den Einzelhandel“.
Ralph Fyfe, ein Experte für Wiederbegrünung an der Universität von Plymouth, räumt jedoch ein: „Jeder kleine Beitrag kann zur Erholung der Natur beitragen.“ Dennoch gibt es Bedenken. Stephen Carver von der Universität Leeds warnt vor der möglichen Ausbreitung invasiver Arten und stellt die Fähigkeit der Schuhe in Frage, zwischen einheimischen und nicht einheimischen Samen zu unterscheiden.
Grammatopoulos ist ebenfalls der Meinung, dass die Ausbreitung von Schadorganismen verhindert werden muss. Sie hofft, dass sie bei der Weiterentwicklung ihres Konzepts an der Auswahl der Arten arbeiten und die Nutzer dazu ermutigen kann, Gebiete mit invasiven Arten zu meiden. Sie strebt eine umfassende Umwilderung an, glaubt aber, dass „in städtischen Gebieten, wo Platz ein Luxus ist, die Umwilderung eine andere, kleinere Form annehmen könnte“.
In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen menschlicher Innovation und der Natur immer mehr verschwimmen, bietet „Rewild the Run“ eine neue Perspektive für den ökologischen Schutz. Auch wenn es nach wie vor Herausforderungen gibt, so unterstreicht es doch die grenzenlosen Möglichkeiten, die sich aus der Verschmelzung von Technologie und Natur ergeben, und regt uns dazu an, uns neu vorzustellen, wie alltägliche Aktivitäten zu globalen Naturschutzbemühungen beitragen können. Während die Städte immer dichter bebaut werden und die Naturräume schrumpfen, finden wir vielleicht in diesen kleinen Schritten einen Weg zurück zur Natur.