Deutschland fällt aus den Top 20 der reichsten Länder

September 16, 2024
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Ein Überblick über die wichtigsten Faktoren

Deutschland, lange Zeit ein fester Bestandteil der Liste der wohlhabendsten Nationen der Welt, hat im aktuellen Ranking nach kaufkraftbereinigtem Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf seine Position unter den Top 20 verloren. Das World Economic Outlook (WEO) des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom September 2024 zeigt, dass Deutschland nun auf Rang 21 gefallen ist. Dieser Rückgang wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, vor denen das Land steht, und verdeutlicht zugleich, warum das BIP allein nicht ausreicht, um den Wohlstand eines Landes zu messen.

Die Bedeutung der Kaufkraftparität

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Gesamtwert aller in einem Land produzierten Waren und Dienstleistungen und dient oft als Indikator für wirtschaftlichen Reichtum. Deutschland zählt mit seinem hohen BIP weiterhin zu den größten Volkswirtschaften der Welt. Laut den aktuellen WEO-Daten rangiert es hinter den USA, China und Japan auf Platz vier im weltweiten Vergleich des Gesamt-BIPs. Doch dieser Wert sagt wenig über den Wohlstand der breiten Bevölkerung aus. Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel betont: „Das BIP allein gibt keine Auskunft über die Verteilung des Reichtums und den tatsächlichen Lebensstandard der Menschen.“

Um den Wohlstand präziser abzubilden, wird das BIP nach Kaufkraftparität (Purchasing Power Parity, PPP) berechnet. Die Kaufkraftparität berücksichtigt, wie viel Waren und Dienstleistungen in verschiedenen Ländern für den gleichen Geldbetrag erworben werden können. Diese Methode erlaubt eine bessere Vergleichbarkeit zwischen Ländern, da der Wert eines bestimmten Betrags von Land zu Land unterschiedlich ist. Ein hoher Wert im kaufkraftbereinigten BIP pro Kopf deutet auf eine wohlhabendere Bevölkerung hin, auch wenn das Gesamt-BIP niedriger ist.

Das Ranking der wohlhabendsten Länder nach Kaufkraftparität

Länder mit kleinen Bevölkerungen, aber stark entwickelten Finanz- oder Rohstoffsektoren dominieren die Liste der reichsten Nationen. Diese Staaten erzielen in der Regel ein hohes Pro-Kopf-Einkommen und werden von äußeren wirtschaftlichen Einflüssen wie globalen Krisen oder Inflation weniger stark getroffen. Dies erklärt, warum Länder wie Luxemburg oder Katar im Ranking weit oben stehen, während größere Volkswirtschaften wie Deutschland, trotz ihrer hohen Gesamtproduktion, zurückfallen können.

Die Top 10 der reichsten Länder nach kaufkraftbereinigtem BIP pro Kopf (2023):

  1. Luxemburg
    • BIP (2023): 85,78 Milliarden Dollar
    • Kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf: 115.626 internationale Dollar
    • Bevölkerung: 674.000
    • Schwerpunkte: Finanzdienstleistungen
    • Prognostiziertes Wirtschaftswachstum (2024): 1,3 %
    • Inflationsrate (2024): 2,5 %
  2. Irland
    • Kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf: 113.351 internationale Dollar
    • Irland profitiert stark von einem boomenden Technologiesektor und den Steuervergünstigungen für internationale Konzerne.
  3. Singapur
    • Kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf: 104.731 internationale Dollar
    • Singapur hat sich als globales Finanzzentrum und Handelshub etabliert.
  4. Macau
    • Kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf: 97.043 internationale Dollar
    • Der Erfolg Macaus basiert weitgehend auf dem Glücksspielsektor, der nach der Pandemie wieder wächst.
  5. Katar
    • Kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf: 90.683 internationale Dollar
    • Katar profitiert von enormen Gas- und Ölvorkommen und stabilen Exportmärkten.
  6. Vereinigte Arabische Emirate
    • Kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf: 87.045 internationale Dollar
    • Die VAE haben eine diversifizierte Wirtschaft aufgebaut, die stark auf Handel, Finanzen und Tourismus setzt.
  7. Schweiz
    • Kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf: 84.655 internationale Dollar
    • Die Schweiz punktet mit ihrer Stabilität und einem stark ausgeprägten Finanzsektor.
  8. San Marino
    • Kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf: 78.169 internationale Dollar
    • San Marino ist ein kleiner Staat, der stark vom Tourismus und der Finanzwirtschaft profitiert.
  9. Vereinigte Staaten von Amerika
    • Kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf: 75.610 internationale Dollar
    • Trotz der Größe ihrer Wirtschaft und einer starken Innovationskraft bleibt das Pro-Kopf-Einkommen in den USA hinter einigen kleineren Staaten zurück.
  10. Norwegen
  • Kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf: 74.477 internationale Dollar
  • Norwegen profitiert von seinen Ölvorkommen und hat gleichzeitig eine hohe Lebensqualität und soziale Absicherung etabliert.

Diese Top 10 zeichnen sich durch eine hohe wirtschaftliche Stabilität, einen wohlhabenden Finanzsektor und in vielen Fällen durch natürliche Ressourcen wie Öl oder Gas aus.

Deutschland und die Herausforderungen der letzten Jahre

Deutschland befindet sich nun auf Platz 21 und hat damit seine Position innerhalb der Top 20 verloren. Dieser Rückgang lässt sich durch mehrere Faktoren erklären, die die wirtschaftliche Dynamik des Landes in den letzten Jahren beeinträchtigt haben:

  1. Hohe Energiekosten: Die Energiekrise, die durch den Ukrainekrieg ausgelöst wurde, hat die Produktionskosten für viele Unternehmen in Deutschland drastisch erhöht. Besonders energieintensive Industrien wie die Chemie- und Stahlindustrie sind stark betroffen.
  2. Inflation: Die Inflation in Deutschland hat in den letzten Jahren einen Höchststand erreicht, was die Kaufkraft der Bevölkerung deutlich geschwächt hat. Dies hat Auswirkungen auf den Konsum und die Lebensqualität vieler Menschen.
  3. Globale Lieferkettenprobleme: Die weltweiten Lieferketten, die durch die Pandemie und den Ukrainekrieg unterbrochen wurden, haben die deutsche Exportwirtschaft beeinträchtigt. Unternehmen leiden unter gestiegenen Rohstoff- und Transportkosten, was das Wirtschaftswachstum gebremst hat.
  4. Fachkräftemangel: Der Fachkräftemangel in Deutschland hat sich weiter verschärft. Unternehmen haben Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden, was sich negativ auf die Produktivität und Innovationskraft auswirkt.

Wie die Coronapandemie und geopolitische Krisen das Ranking verändert haben

Die Auswirkungen der Coronapandemie, des Ukrainekriegs und weiterer geopolitischer Krisen haben das weltweite Ranking der wohlhabendsten Länder deutlich beeinflusst. Während Länder wie Macau und Katar in der Lage waren, sich rasch von den wirtschaftlichen Folgen zu erholen, haben andere Länder, darunter viele europäische Nationen, ihre Positionen eingebüßt.

Besonders auffällig ist die Rückkehr Macaus in die Top 10. Die chinesische Sonderverwaltungszone hatte aufgrund der strikten Pandemie-Maßnahmen Chinas drastische wirtschaftliche Einbußen erlitten, erholt sich jedoch schnell und verdrängt Katar auf Platz fünf. Auch kleinere Länder wie San Marino und Island konnten in den Rankings aufsteigen.

Deutschland hingegen hat in dieser Zeit wichtige Plätze verloren. Doch trotz dieses Rückschlags bleibt Deutschland eine der größten Wirtschaftsmächte der Welt. Die Zukunft hängt davon ab, wie schnell das Land seine wirtschaftlichen Herausforderungen meistert und ob es die Kaufkraft der Bevölkerung wieder steigern kann.

Deutschland im internationalen Vergleich

Der Rückgang Deutschlands im Ranking der reichsten Länder zeigt, dass das BIP alleine nicht ausreicht, um den Wohlstand eines Landes zu messen. Länder wie Luxemburg und Irland, die durch kleine Bevölkerungen und spezialisierte Wirtschaftszweige glänzen, dominieren das Ranking, während größere Volkswirtschaften wie Deutschland durch globale Krisen stärker beeinträchtigt werden.

Der Fachkräftemangel, hohe Energiekosten und die Inflation belasten die deutsche Wirtschaft, doch mit gezielten Reformen und einer stabileren globalen Lage könnte Deutschland wieder an Stärke gewinnen. „Wohlstand ist nicht nur wirtschaftliche Leistung, sondern auch die Verteilung des Reichtums und die Lebensqualität“, so der Mannheimer Volkswirtschaftsprofessor Tom Krebs. Deutschland wird sich darauf konzentrieren müssen, diese Faktoren zu verbessern, um seinen Platz unter den wohlhabendsten Nationen der Welt zurückzuerobern.

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