Am 12. September 2024 hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen weiter gesenkt und damit auf die rückläufige Inflation im Euroraum reagiert. Der zentrale Einlagesatz, zu dem Banken überschüssige Gelder kurzfristig bei der EZB parken können, wurde von 3,75 auf 3,5 Prozent reduziert. Dieser Schritt markiert die zweite Zinsanpassung nach der geldpolitischen Wende im Juni 2024. Zugleich ließ die EZB, unter der Leitung von Christine Lagarde, offen, wie es in den kommenden Monaten weitergehen wird.
Hauptrefinanzierungssatz ebenfalls gesenkt
Neben dem Einlagesatz wurde auch der Hauptrefinanzierungssatz, der für Banken bei der Aufnahme von Krediten von Bedeutung ist, angepasst. Dieser sank um 0,6 Prozentpunkte auf 3,65 Prozent. Der stärkere Rückgang im Vergleich zum Einlagesatz resultiert aus einer im Frühjahr beschlossenen Änderung des operativen Rahmens der EZB. Mit dieser Maßnahme zielt die EZB darauf ab, Banken stärker zur Teilnahme an ihren wöchentlichen Kreditgeschäften zu motivieren und gleichzeitig Schwankungen bei den Marktzinssätzen zu minimieren.
Christine Lagarde betonte, dass der Einlagesatz weiterhin der zentrale geldpolitische Steuerungszins bleibe. Die aktuellen Maßnahmen zielen darauf ab, den durch die Zinspolitik verursachten Druck auf die Wirtschaft zu reduzieren und positive Wachstumsimpulse zu setzen. Durch günstigere Finanzierungskonditionen sollen Investitionen und Konsum erleichtert werden.
Reaktionen und Expertenmeinungen
Die erneute Zinssenkung war weitgehend erwartet worden. Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, begrüßte den Schritt der EZB und erklärte gegenüber ntv.de: „Es ist gut, dass die Leitzinsen sinken und die EZB nicht wartet, bis die Inflationsrate 2,0 Prozent punktgenau erreicht. Damit verringert sie eine unnötige Konjunkturbelastung und wirkt einer künftig zu niedrigen Inflationsrate entgegen.“ Krüger fügte hinzu, dass die EZB wahrscheinlich an weiteren, jedoch behutsamen Zinssenkungen festhalten werde. Grund hierfür seien unter anderem weiterhin bestehende Inflationsrisiken und ein zu hohes Lohnwachstum im Verhältnis zur Produktivitätsentwicklung.
Die Finanzmärkte reagierten positiv, wenn auch verhalten, auf die Zinsentscheidung. Der DAX, der kurz vor der Ankündigung der EZB kräftig gestiegen war, gab einen Teil seiner Gewinne wieder ab und notierte zuletzt um 1,1 Prozent höher bei 18.522 Punkten. Der EUROSTOXX50 schloss 1,4 Prozent im Plus bei 4830 Punkten. Der Euro blieb stabil bei einem Kurs von 1,1020 US-Dollar.
Ausblick der EZB und wirtschaftliche Perspektiven
Die EZB bleibt trotz des leichten Rückgangs ihrer Wachstumsprognose für das Jahr 2024 optimistisch. Die wirtschaftlichen Projektionen deuten auf ein stabiles, wenn auch moderates Wachstum hin. Gleichzeitig sieht die Zentralbank noch kein vollständiges Erreichen ihres Inflationsziels von knapp 2 Prozent. Daher wird erwartet, dass die EZB weiterhin vorsichtig agiert und nicht überstürzt zu drastischeren Maßnahmen greift.
Ein wesentlicher Faktor, der die zukünftige Geldpolitik beeinflussen wird, ist die Lohnentwicklung. Aktuell wächst das Lohnniveau schneller als die Produktivität, was potenziell weiteren Inflationsdruck ausüben könnte. Lagarde betonte, dass die EZB genau beobachten werde, wie sich die Löhne und die wirtschaftliche Produktivität entwickeln, um gegebenenfalls weitere Anpassungen bei den Leitzinsen vorzunehmen.
Wirtschaftliche Folgen der Zinssenkung
Die Entscheidung der EZB, die Zinsen zu senken, zielt darauf ab, die Konjunktur zu stützen und das Wirtschaftswachstum in der Eurozone zu fördern. Durch die günstigeren Kreditbedingungen sollen Investitionen der Unternehmen erleichtert und der Konsum der Privathaushalte gestärkt werden. Diese geldpolitische Lockerung könnte insbesondere den Staaten im Euroraum zugutekommen, die unter schwachem Wirtschaftswachstum und hohen Staatsverschuldungen leiden.
Für Unternehmen bedeutet die Zinssenkung, dass sie zu günstigeren Konditionen Kredite aufnehmen können, um in ihre Geschäftsmodelle und Innovationen zu investieren. Auch für Verbraucher wird es attraktiver, größere Anschaffungen zu tätigen, da die Finanzierungskosten für Kredite sinken. Gleichzeitig könnte die Zinspolitik der EZB zu einer Stabilisierung der Finanzmärkte beitragen, indem sie Schwankungen bei den kurzfristigen Zinssätzen begrenzt.
Langfristige Perspektiven und Risiken
Trotz der positiven Effekte, die die Zinssenkung auf die Wirtschaft haben könnte, bleiben Risiken bestehen. Ein zentrales Thema bleibt die Frage, wie sich die Inflationsentwicklung weiter gestaltet. Während die Inflation derzeit rückläufig ist, könnte ein unerwarteter Anstieg der Löhne oder der Energiepreise zu einem erneuten Inflationsdruck führen. Die EZB muss daher wachsam bleiben und ihre geldpolitischen Instrumente flexibel anpassen, um die wirtschaftliche Stabilität in der Eurozone zu gewährleisten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zinssenkung der EZB ein Schritt in die richtige Richtung ist, um die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone zu fördern. Die langfristigen Auswirkungen hängen jedoch von vielen Faktoren ab, einschließlich der globalen Wirtschaftsentwicklung, der Lohnentwicklung und der weiteren Inflationsentwicklung. Die EZB wird daher weiterhin eine vorsichtige und datenbasierte Geldpolitik verfolgen.