In Deutschland ist fast jeder fünfte Rentner armutsgefährdet. Diese alarmierende Entwicklung zeigt die wachsende Herausforderung, die das Rentensystem des Landes vor sich hat. Laut aktuellen Daten der Bundesregierung aus dem Jahr 2023 sind 18,4 Prozent der Rentnerinnen und Rentner in Deutschland von Armut bedroht. Besonders betroffen sind Frauen, von denen sogar 20,2 Prozent als armutsgefährdet gelten. Diese Zahlen gehen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken im Bundestag hervor.
Vergleich zur Gesamtbevölkerung und historische Entwicklung
Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, in der 14,4 Prozent der Menschen von Armut bedroht sind, ist die Armutsgefährdung unter Rentnern besonders hoch. Die Daten basieren auf Statistiken der Deutschen Rentenversicherung sowie Eurostat. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat.
Seit dem Jahr 2014 ist die Armutsgefährdungsquote bei Menschen über 65 Jahren um mehr als elf Prozent gestiegen. Dieser Anstieg zeigt, dass die Renten in vielen Fällen nicht mehr ausreichen, um den Lebensstandard im Alter zu sichern.
Rentenhöhe und ihre Auswirkungen
Die durchschnittliche Altersrente in Deutschland lag im Jahr 2022 bei 1.373 Euro für Männer und 890 Euro für Frauen. Diese Zahlen verdeutlichen das geschlechtsspezifische Ungleichgewicht in der Rentenhöhe, das sich aus der ungleichen Bezahlung und Beschäftigungsbedingungen während des Erwerbslebens ergibt. Frauen, die oft in Teilzeit arbeiten oder geringere Löhne erhalten, sind im Alter stärker von Armut betroffen.
Besonders problematisch ist, dass auch langjährige Beitragszahler häufig eine niedrige Rente beziehen. Von den mindestens 40 Jahre in der Rentenkasse Versicherten erhielten im Jahr 2023 mehr als 33 Prozent eine Rente unter 1.250 Euro. Bei Versicherten mit 45 Versicherungsjahren lag dieser Anteil immer noch bei knapp 25 Prozent.
Steigende Kosten für Grundsicherung
Die staatlichen Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Im Jahr 2018 beliefen sich die Nettoausgaben noch auf 6,6 Milliarden Euro, während sie im Jahr 2023 bereits 10,1 Milliarden Euro erreichten. Diese Entwicklung zeigt, dass immer mehr Menschen im Alter auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, um über die Runden zu kommen.
Politische Reaktionen und Vorschläge
Der rentenpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Matthias W. Birkwald, sieht die Ursache für die steigende Armutsgefährdung in den niedrigen Löhnen und Gehältern, die während des Erwerbslebens gezahlt werden. Er äußerte Zweifel daran, dass viele der Betroffenen ihre Rentenlücken durch betriebliche oder private Altersvorsorge schließen können: „Von niedrigen Löhnen und Gehältern werden dementsprechend niedrige Beiträge in die gesetzliche Rente eingezahlt.“
Pascal Kober, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, schlägt vor, die Anrechnungsregeln für Rentenansprüche bei Grundsicherungsempfängern zu ändern. Er argumentiert, dass Rentner mit niedrigen Rentenansprüchen besser gestellt werden könnten, wenn ihre Ansprüche nicht vollständig auf die Grundsicherung angerechnet würden. „Wer beispielsweise nur einen kleinen Rentenanspruch von 450 Euro hat, bekäme dann sofort 90 Euro mehr als derzeit,“ erklärte Kober. Er kündigte an, dass Gespräche zu diesem Thema mit Arbeitsminister Hubertus Heil im Herbst stattfinden sollen.
Forderungen nach strukturellen Veränderungen
Auch die Gewerkschaften sehen Handlungsbedarf. Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), sieht in den Erwerbsbiografien der Menschen die Hauptursache für niedrige Renten. Niedrige Löhne, unfreiwillige Teilzeit und Arbeitslosigkeit seien laut Piel wesentliche Gründe für die finanzielle Unsicherheit im Alter. Sie fordert daher eine stärkere Tarifbindung, einen höheren Mindestlohn sowie passende Weiterbildungs- und Förderangebote durch die Bundesagentur für Arbeit. Piel betont: „Gegen niedrige Renten hilft aber auch ein stabiles und höheres Rentenniveau.“
Die steigende Armutsgefährdung unter Rentnern in Deutschland ist ein deutliches Zeichen dafür, dass das bestehende Rentensystem an seine Grenzen stößt. Die Vorschläge aus der Politik reichen von Änderungen bei der Grundsicherung bis hin zu einer Stärkung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge. Doch ohne umfassende Reformen, die sowohl die Höhe der Renten als auch die Erwerbsbedingungen während des Arbeitslebens verbessern, wird die Altersarmut in Deutschland weiter zunehmen. Die Zahlen und Fakten sprechen eine klare Sprache: Es bedarf eines dringenden Handelns, um die Lebensqualität im Alter zu sichern.